Wie kann B-Ware Gemüse in den Handel gebracht und in die Lebensmittelverarbeitung integriert werden? Um diese Frage drehte sich die Podiumsdiskussion am 17.11.2022 in der Mensa Rempartstraße der Universität Freiburg mit vier Expertinnen und Experten aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel/Logistik und Gemeinschaftsverpflegung. Magdalena Langer vom Ernährungsrat moderierte die Diskussion und leitete die Veranstaltung mit einer Erklärung des Begriffs B-Ware bzw. suboptimale Ware ein.
Wolfgang Hees (Erzeugergemeinschaft Biogemüse Südbaden, Landwirtschaft) gab zunächst einen Einblick in den momentanen Ist-Zustand aus landwirtschaftlicher Sicht. Die EU-Normen für Größe und Aussehen von Gemüse 1. und 2. Klasse seien sehr strikt, bei B-Ware gebe es mehr Spielraum solange das Gemüse verzehrbar sei. Die Anteile an B-Ware beim Gemüseanbau variieren je nach Sorte, im Durchschnitt entstünden in der Regel 20-30% Ausfall bzw. B-Ware. Ob diese in den Handel komme, sei in erster Linie eine Kostenfrage: 2/3 der Herstellungskosten entfallen auf Ernte und Aufbereitung, lediglich 1/3 auf den Anbau. Bei der B-Ware komme eine aufwendigere Aufbereitung hinzu (u.a. die Sortierung), weshalb sich die Vermarktung der B-Ware erst ab einem bestimmten Preis lohne. Aktuell werde daher der Großteil auf den Feldern gelassen und/oder als Gründünger untergearbeitet . Auf Seiten der Landwirte sei das Interesse daher groß, Lösungen für die Vermarktung verzehrbarer B-Ware zu finden: sie könne ein relevanter Baustein beim Ausbau der regionalen Lebensmittelversorgung sein und schone damit Klima und Ressourcen.
Harald Rinklin (Rinklin Naturkost, Handel) teilte die B-Ware in verschiedene Kategorien ein. Bei Möhren gebe es zum Beispiel die Kategorie Übergröße, diese würden recht problemlos von Großversorgern abgenommen. Die sogenannten „krummen Dinger“ sehe er im Moment vor allem in der Versaftung oder als Dünger/Kompost. Er machte außerdem auf periodische Warenschwemmen aufmerksam: bei Erntespitzen sei der Markt zeitweise übersättigt und es gebe dann nicht ausreichend Nachfrage für bestimmte Gemüsesorten. Hier stellen sich daher zudem die Fragen, wie Verbraucher über diese Überhänge informiert werden können und wie Verbraucher zum Konsum dieser Waren motiviert werden können?
Benjamin Rückle (Regio Frucht, Verarbeitung), der im Familienbetrieb Gemüse zu Ready-Cut Produkten verarbeitet, ist bereits dabei ausgewählte B-Ware zu beziehen. Er sieht vor allem einen Bedarf an technischen Lösungen für seine Herausforderungen: zum einen die Anpassung von Maschinen für die automatisierte Behandlung von B-Ware Gemüse, zum anderen die Erweiterung des Warenwirtschaftsprogramms. Er machte auch noch einmal deutlich, dass bei der Verarbeitung von B-Ware ein größerer Aufwand an Zeit und Personal bestehe, weshalb B-Ware am Ende eigentlich nicht günstiger als A-Ware gehandelt werden könne.
Natascha Meurs (Kinderleicht genießen, Gemeinschaftsverpflegung) produziert im Familienbetrieb ca. 4000 Essen pro Tag und ist sowohl über den Großhandel als auch im Direktbezug mit Gemüse versorgt. Sie hat gemeinsam mit regionalen Erzeugern einen Saisonkalender erstellt, wann welches Gemüse angebaut wird und wann voraussichtlich große Erntemengen vorhanden sind, und richtet die Speisepläne daran aus. Dies funktioniere bereits sehr gut, zudem habe sie seit vergangenem Jahr eine zusätzliche Angestellte, die sich ausschließlich um die Aufbereitung von B-Ware Gemüse kümmert. Bei ihren Kunden erfahre sie eine hohe Akzeptanz (98%) der Integration B-Ware in den Speisen. Auch spontane Speiseplanänderungen durch Warenschwemmen werden bei ihr umgesetzt und von den Kunden gut angenommen. Ein Überangebot an sehr reifen Tomaten konnte in diesem Jahr beispielsweise zu regionaler Tomatenpassata eingekocht werden.
In einem zweiten Teil wurde die Diskussion für das Publikum geöffnet und es entstand ein reger Austausch mit den gut 20 Teilnehmerinnen, die zum großen Teil selbst in der Gemeinschaftsverpflegung oder Verarbeitung von Gemüse tätig sind. Hier wurden mehr Aufklärungsarbeit über Medien an Verbraucher sowie mehr Kommunikation unter den Erzeugern gefordert. Die Teilnehmerinnen bekräftigten auch von ihrer Seite, dass ein breites Interesse an der Verfügbarkeit und Verarbeitung von regionalem Gemüse auch als B-Ware bestehe, es bisher aber eben vor allem an Informationen über Verfügbarkeiten fehle.
Als Fazit wurde festgehalten: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Gemüse als B-Ware ist ein Zukunftsmarkt, denn schon allein aus Sicht des Klimawandels kann man es sich nicht mehr leisten B-Ware nicht zu vermarkten. Die wichtigsten Schritte sind daher: Aufbau eines verbesserten Kommunikationsflusses zwischen Erzeugern, Händlern und Verbrauchern, Nutzung bestehender Transport- und Lagerkapazitäten, Fokussierung auf direkte Vermarktung und Zusammenarbeit der Akteure.
Der Ernährungsrat plant für 2023 weitere „Kantinengespräche“ mit wechselnden und neuen Schwerpunktthemen. Interessierte können sich für die Emailliste der Bio-Musterregion mit dem Betreff „Kantinengespräche“ anmelden unter: a.gierden@landkreis-emmendingen.de
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