Als vorletzte Veranstaltung des AgriKultur Sommers haben wir am Freitag, 30.07. in Kooperation mit dem AgriKultur e.V. im Forum Merzhausen zum Thema „Landwirtschaft und Ernährung zusammen denken und gemeinsam gestalten“ eingeladen. Die Veranstaltung wurde aufgenommen und kann auf der Website von infreiburgzuhause.de nochmals oder auch erstmals angesehen werden. (Es geht los ab min. 22:20)
Wir freuten uns über prominente Gäste und viel Bühnenpower aus dem Ernährungsrat.
Christian Ante, Bürgermeister von Merzhausen, startete mit seiner Rede, und ging zuerst auf die Situation in Merzhausen ein (ab min 28:50). Er sprach beispielhaft die landwirtschaftliche Situation in Merzhausen mit Wein und Streuobst sowie die Hexentäler Kinderküche als lokale Initiative zu einer regionalen Schulverpflegung an, um den kommunalen Charakter von Fragen der Ernährung und Landwirtschaft zu unterstreichen.
Hanna Böhme von der FWTM, selbst auch aktiv im Vorstand des Ernährungsrats, sprang spontan für den erkrankten Martin Horn ein und hielt eine Rede (ab min 35:00), in der sie aus der Notwendigkeit von Klimaschutz heraus auch die Dringlichkeit der Ernährungswende betonte. Sie sprach unter anderem die vermehrte Forderung z.B. der Agronauten als Forschungsgesellschaft für Agrar- und Ernährungskultur nach „Food Democracy“, also einer Sichtweise auf Lebensmittel und Landwirtschaft als Kultur- und demokratisches Gut, nicht als Ware an.
Die Stadt setze sich außerdem bewusst das Ziel, Ökolandbau in der Region sowie die Vermarktung aus der Region zu fördern, und verfolge dies mit verschiedenen Initiativen wie etwa der Bio-Musterregion Freiburg im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich progressiv. So fördert die Stadt und insbesondere das Umweltschutzamt beispielsweise die Arbeit des Ernährungsrates bei den beiden anlaufenden Projekten „House of Food“ und „LebensMittelPunkte„.
Andreas Dilger (AgriKultur e.V.) sprach anschließend (ab min 46:45), und ging auf den Begriff der AgriKultur ein. Die Aufgaben für Landwirtschaft und Ernährung seien gewaltig im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung. Das Interesse der Gesellschaft an Landwirtschaft und Ernährung steige nach Jahrzehnten der Versäumnisse endlich wieder, es gebe aber auch und vor allem von der Seite der Politik vieles aufzuholen. Er zeigte am Verhältnis von agrarökologischer und soziokultureller Innovation die mögliche Schlüsselrolle des Konzepts von AgriKultur für eine nachhaltige Transformation auf. Ein spannender Beitrag!
Wolfgang Hees, Sprecher des Ernährungsrats und Geschäftsführer des Arbeitskreises bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Baden-Württemberg hielt ab min 56:40 eine engagierte Rede.
„Wir sind sehr froh, dass auch der grün-schwarze „Erneuerungs“- bzw. Koalitionsvertrag diese Notwendigkeiten erkannt hat und gezielt regionale Ernährungsräte fördern möchte.“
Auch wenn seine Rede ursprünglich vor Allem an den noch nicht anwesenden Minister Hauk gerichtet war, so wurde doch deutlich, dass eine Kooperation sehr sinnvoll ist, um die vom Land gesteckten Ziele gemeinsam zu erreichen. Dabei sprach er aber auch die offenen Fragen zum Beispiel beim angestrebten Umbau auf mindestens 30 % Bio in BW an. Eine Ernährungsstrategie für Baden-Württemberg sah er als einen wichtigen Beitrag von vielen Schritten.
Anschließend, der Minister war mittlerweile eingetroffen, stellten sich sieben Aktive aus dem Netzwerk des Ernährungsrats mit kurzen Pitches entlang der Wertschöpfungskette vor (ab min 1:11:30). Es wurde ein sehr schönes Bild des Ernährungsrats in seiner ganzen, auch thematischen Vielfalt mit guten Denkanstößen gezeichnet.
So zeigte sich etwa Johannes Suppenkämper, Biolandwirt der solidarischen Landwirtschaft Luzernenhof, überzeugt, dass menschliche Vielfalt auf dem Hof und mehr Engagement von Menschen auch eine effektive Vielfalt in Landwirtschaft und Tierwelt bedeutet. Stefanie Koch von der Projektgruppe HoF ErnA, dem angestrebten soziokulturellen Zentrum für Landwirtschaft und Ernährung in Freiburg, sah einen wichtigen Schlüssel für die Agrar- und Ernährungswende ebenfalls in der aktiven Teilhabe der Zivilgesellschaft. „Nur eine Gesellschaft, die in Beziehung zu ihrem Ernährungssystem steht, kann diese Agrarwende auch tragen.“
In seiner darauf folgenden Rede (ab min 1:33:00) stellte Minister Hauk Spielräume der Politik für eine Ernährungs- und Agrarwende dar. Diese seien nicht besonders groß. Stattdessen forderte er die Bürger*innen auf, mit ihrem Kaufverhalten die Nachfrage für regionale und biologische Produkte zu bestimmen. Ein Anstieg dieser Nachfrage sei während der Pandemie zu verzeichnen gewesen. Einen Spielraum habe das Land allerdings bei landeseigenen Kantinen etc. Hier solle das Land in puncto Regionalität und Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen. Zum Ende seiner Redezeit lobte er die Bemühungen des Ernährungsrats, eine Ernährungsstrategie zu entwickeln und erklärte sich zu weiterer Zusammenarbeit bereit.
Auf dem anschließenden Podium waren OB Martin Horn und Minister Peter Hauk MdL vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg vorgesehen. Durch die Krankheit von Herrn Horn und die Verspätung von Minister Hauk musste die Podiumsdiskussion abgesagt werden. Deshalb war es leider nicht möglich, detailliert die Pläne unseres Vorhabens einer regionalen Ernährungsstrategie zu diskutieren. Wir haben uns bei unserem kurzen Austausch aber sehr über die deutliche Zustimmung des Ministers zu unserem Projekt einer modellhaften regionalen Ernährungsstrategie gefreut, wie andererseits auch über sein Angebot, bei passender Gelegenheit noch einmal nach Freiburg zu weiterführenden Gesprächen zu kommen.
Trotz dieser Schwierigkeiten war es eine inhaltsreiche Veranstaltung, die durch die verschiedenen Reden und Denkanstöße von Akteur*innen aus Ernährung und Landwirtschaft, den Aktiven des Ernährungsrats und des AgriKultur e.V. lebendig gemacht wurde.
Zum Schluss ein großes Danke an das Planungsteam, das die Veranstaltung mit viel Einsatz akribisch und umfassend vorbereitete, besonders an Susanne Miethaner und Andreas Dilger, die durch den Abend führten.